Die Geschichte der Todesstrafe in der Schweiz

 

Die Geschichte der Todesstrafe in der Schweiz - die Schweizer Guillotine

 

 

In Zürich tritt 1835 ein neues Strafgesetzbuch in Kraft. Für Hinrichtungen darf fortan nur die Guillotine verwendet werden. Eine solche aber ist nicht vorhanden. Dafür in Genf. So schickt denn der Polizeirat im Januar 1836 den Mechaniker Johann Bücheler nach Genf, und der fabriziert dort in sechs Wochen eine Guillotine, die er inklusive Instruktionsmodell nach Zürich überführt, wo er noch das notwendige Gerüst zimmern lässt. Das Ganze ist rot und schwarz gestrichen. Die Guillotine wird im Hof der Strafanstalt Oetenbach aufgestellt. Ein Versuch an einem Schaf verläuft "befriedigend". Zwischen 1839 und 1865 kommt sie elfmal zum Einsatz. Am 1. September 1868 beschließt der Verfassungsrat, die Guillotine abzuschaffen.

1836 legt auch das neue Luzerner Kriminalstrafgesetzbuch im §4 fest: "Die Todesstrafe wird vollzogen durch Enthauptung mittelst des Fallbeils auf öffentlichem Richtplatze." Darum bestellt man bei Johann Bücheler am 10. Mai 1836 ebenfalls eine solche "Maschine", wie sie genannt wird. Johann Bücheler offeriert sie für Fr. 875.-, zuzüglich Fr. 50.- für einen zweiräderigen Wagen mit Kasten und Korb für den Kopf des Hingerichteten. Er liefert dazu einen kolorierten Konstruktionsplan, der mit der in Zürich gebauten Guillotine praktisch identisch ist. Ende September ist die Guillotine in der eben umgebauten Strafanstalt am Sentitor, Baselstrasse 20, aufgestellt. Bei der Demonstration an einem Widder wird der Kopf nicht ganz abgeschlagen. Lokale Schlosser schlagen vor, die Farbe von den Leitschienen, in denen das Messer fällt, zu entfernen und diese zu fetten.

Am 12. Juni 1841 gelangen 47 Luzerner Bürger mit einer Eingabe an den Grossen Rat. Sie verlangen, die Guillotine solle abgeschafft und zerstört werden. Sie sei ein "revolutionäres Mordinstrument", mit dem Tausende unschuldiger Opfer hingerichtet worden seien. Sie entspreche wohl den Grundsätzen eines Robespierres, nicht aber jenen "einer religiösen und aufrichtig freiheitsliebenden Regierung". Das Zürchervolk empfinde ähnlich und habe darum die Guillotine am 6. September 1839 auf dem Münsterplatz zerstört. Am 10. März 1842 beschließt der Grosse Rat, die Enthauptung mittels Guillotine abzuschaffen und zurückzukehren zur Hinrichtung mit dem Schwert auf öffentlichem Richtplatz. §4 des Kriminalstrafgesetzbuches, welcher ausdrücklich die Hinrichtung mittels Fallbeil festgelegt hatte, wird entsprechend geändert. Am 18. April 1842 findet die offizielle Zerstörung der Guillotine statt. Der Verbalprozess, also das Protokoll dieser "Hinrichtung", ist von den beteiligten Arbeitern unterzeichnet. §5 des Kriminalstrafgesetzes vom 29. November 1860 lautet nun: "Die Todesstrafe wird öffentlich durch Enthauptung mittelst Fallbeil oder Schwert vollzogen." Als letzter Verurteilter wird Niklaus Emmenegger von Flühli am 6. Juli 1867 mit dem Schwert enthauptet.

Am 11. Dezember 1863 sendet die Strafanstalt Zürich ihre Guillotine nach Schaffhausen und verkauft sie dem Nachbarkanton für Fr. 2200.-.vii Bevor sie jedoch zum Einsatz kommt, tritt die Bundesverfassung 1874 in Kraft. §65 legt fest: "Die Todesstrafe ist abgeschafft. Die Bestimmungen des Militärstrafgesetzes bleiben in Kriegszeiten vorbehalten." 1874-1878 werden in der Schweiz auffallend viele Gerichtsurteile gefällt, die nach altem Recht mit dem Tod bestraft worden wären. Die Schweizer Gerichte erkennen 56mal auf Mord, 96mal auf Totschlag, 60mal auf Kindsmord und 15mal auf Brandstiftung. Volkspetitionen in den Kantonen Waadt, Freiburg, St. Gallen, Appenzell, Bern, Zürich und Schaffhausen verlangen die Wiedereinführung der Todesstrafe. Die eidgenössische Volksabstimmung vom 18. Mai 1879 hebt §65 auf und ermächtigt damit die Kantone, die Todesstrafe wieder einzuführen. Weiterhin gültig bleibt: "Wegen politischen Vergehen darf kein Todesurteil gefällt werden."

In Luzern wird das Gesetz betreffend Wiedereinführung der Todesstrafe am 6. März 1883 verabschiedet. §5 lautet: "Der Vollzug der Todesstrafe erfolgt durch das Fallbeil oder das Schwert vor Zeugen in geschlossenem Raum." Es setzt also die vor der Aufhebung durch die Bundesverfassung geltenden Bestimmungen wieder in Kraft. Eine bedeutende Änderung betrifft die bisher übliche öffentliche Exekution, die nun abgeschirmt von der Öffentlichkeit stattfinden muss.

Da das Obergericht den Mörder Jakob Mattmann von Kriens zum Tode verurteilt hat, muss im Juli 1885 für den Fall der Hinrichtung eine Guillotine beschafft werden. In der Folge wird Mattmann zwar vom Grossen Rat begnadigt und zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt, die Luzerner Behörden aber hatten die Schaffhauser Guillotine, die damals in der Schweiz vermutlich noch einzige bestehende, bereits leihweise übernommen. Sie sei "noch ganz vollständig und gut". Sie bleibt denn auch bis 1894 in Luzern. Mit ihr wird 1892 der Italiener Ferdinand Gatti hingerichtet. Mehrmals wird die Guillotine nun an andere Kantone ausgeliehen. 1894 ist sie in Schwyz und im Wallis, dann zurück in Schaffhausen, 1896 in Luzern, 1898 wieder in Schaffhausen, 1901 in Luzern, 1902 in Freiburg. 1904 verkauft sie Schaffhausen für Fr. 1000.- an Luzern. Mit ihr werden 1910 Matthias Muff und 1915 Anselm Wütschert hingerichtet. 1924 wird in Altdorf Clemens Bernet geköpft, 1939 Paul Irniger in Zug und am 18. Oktober 1940 Hans Vollenweider in Sarnen. Alle diese Todesurteile wurden mit der in Luzern erhaltenen Guillotine vollstreckt. Die beiden letzten Todesurteile waren in der Öffentlichkeit sehr umstritten, denn am 3. Juli 1938 hatten sich die Schweizer Stimmbürger mit 54% Mehrheit für ein Strafgesetz ohne Todesstrafe (in Friedenszeiten, 1992 auch in Kriegszeiten) entschieden. Allerdings trat das Gesetz erst auf den 1. Januar 1942 in Kraft, und Obwalden selbst hatte es sehr deutlich mit 2440 Nein gegen 641 Ja verworfen.

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